Als die erst 1986 entdeckten Briefe
von Albert Einstein und seiner ersten Frau 1996 im New Yorker
Auktionshaus Christies versteigert wurden, war das eine Sensation.
Die soge-nannten "Liebesbriefe", die 1897 beginnen,
zeigen Einstein als verliebten jungen Mann, seine Studienkollegin
Mileva als starke, un-abhängige und auf wissenschaftlichem
Ge-biet Einstein ebenbürtige Persönlichkeit. Bis heute
dauert der Streit um den Anteil Mileva Marics an den Forschungen
zur Relativitäts-theorie an.
Doch die Briefe gewährten nicht nur intime Einblicke in
die Beziehung zwischen Albert und seiner späteren Frau Mileva,
sondern offenbarten auch die bis dahin unbekannte Geburt einer
Tochter Lieserl im Januar 1902. "Ich habe es so lieb und
kenns doch gar nicht", schrieb Albert Einstein 1902 an
Mileva Maric. Ein Heer von Einsteinbiogra-phen und -Forschern
versuchte seitdem vergeblich, den Verbleib des Mädchens zu
enträtseln.
Auch die amerikanische Publizistin Michele Zackheim war fasziniert
von dem Geheimnis um Einsteins verschwundene Tochter. Michele
Zackheim: "Der Hauptgrund, warum mich dieses Thema so fasziniert,
war die Idee, dass eine Ikone des 20. Jahrhunderts wie Albert
Einstein eine andere Seite hat. Und
ich war sehr neugierig, wie diese Seite aussah. Also hatte ich
beschlossen, mich auf die Suche zu begeben."
Nach jahrelangen Recherchen in zahlreichen Archiven in den USA
und in Europa, nach mehr als 100 Interviews mit Zeitzeugen und
nach der Entdeckung völlig neuen, bisher unveröffentlichten
Quellenmaterials gelang es ihr schließlich, Lieserls wahre
Identität aufzudecken. Jetzt erscheint im List Verlag ihr
Buch "Einsteins Tochter", das schon vor seinem Erscheinen
in den USA eine heftige Kontroverse unter Einstein-Kennern hervorrief,
an der sich unter anderem der renommierte Einstein- Biograph Abraham
Pais und der Direktor des "Einstein Papers Project",
Robert Schulmann, beteiligten.
Das Buch
Michele Zackheim erzählt in ihrem Buch nicht nur die Liebesgeschichte
zwischen Albert Einstein und Mileva Maric, sondern auch die Geschichte
jener Frauen, von denen ange-nommen wurde, sie wären Einsteins
Tochter Lieserl bzw. die vorgaben, es zu sein. Sie folgte den
Spuren der Nonne Teodora, Julka Savics und der jüdischen
Schauspielerin und Sängerin Grete Markstein. Doch die Fährten,
von denen sie glaubte, sie würden zu Lieserl führen,
erwiesen sich allesamt als falsch. |
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Erst ein kleines vergilbtes Buch mit
dem Titel "Die sexuelle Frage" von August Forel aus dem
Jahr 1905 brachte Michele Zackheim auf die richtige Spur. Jahrzehntelang
lag es ver-gessen auf einem serbischen Dachboden, bevor es zum Schlüssel
für die Aufklärung von Lieserls wahrer Identität
wurde. Michele Zackheim: "Ich fand das Forel-Buch auf einem
Dachboden in Serbien. Und ich nahm es mit in die USA. Ich wusste,
dass einiges in dem Buch unterstrichen war, aber ich hatte überhaupt
keine Idee, worum es in dem Buch
ging. Ich legte es in meinen Kühlschrank, um es aufzubewahren.
Und eines Tages sagte ein, Freund, der davon wusste, zu mir: 'Lass
mich das Buch sehen.' Ich nahm es aus dem Kühlschrank und gab
es ihm. 'Michele', sagte er, 'die Antwort, die du suchst, steht
genau hier drin. Sieh, Mileva hat hier etwas unter-strichen. Etwas
zu unterstreichen, erzählt eine Geschichte, es ist wie ein
Tagebuch, eine private Aufzeichnung. Es war alles die ganze Zeit
hier.'"
Der Vergleich mit Schriftproben aus den Briefen und den handschriftlichen
Anmer-kungen an den Rändern des Forel-Buchs zeigten, dass
es sich um Mileva Marics Handschrift handelte. Zusammen mit den
markierten Textpassagen und den Aussagen zweier Interviews konnte
Michele Zackheim die Ergebnisse ihrer jahrelangen Recherche endlich
wie ein Mosaik zusammensetzen: Das unehelich geborene Mädchen,
das die Mutter Lieserl nannte, litt unter dem Down-Syndrom, wurde
verleugnet und sollte zur Adoption freigegeben werden. Doch zu
einer Vermittlung ist es nie gekommen. Lieserl starb, von ihren
Eltern verlassen, nach nur 21 Monaten. Albert Einstein hat die
Tochter nie
besucht. Auf die Frage nach dem Motiv ant-wortet Michele Zackheim:
"Lieserl hätte die Karriere des Genies schwer belasten
können." Und die Mutter? Michele Zackheim: "Mileva
liebte Albert so leidenschaftlich, dass sie hin und her gerissen
war, zwischen dem Ehemann, dem möglichen, und dem Kind. Und
ich glaube, es war eine schwere Entscheidung. Trotzdem reiste
sie über ein
Jahr lang hin und her zwischen der Schweiz und Serbien, um das
Kind zu besuchen. Es gibt keine Aufzeichnungen, wie sie reiste,
als sie Einstein 1903 heiratete. Vor der Hochzeit fuhr sie sooft
sie konnte. Ich glaube, erst als die Tochter 1903 starb, gab es
kein Problem mehr. Die Entscheidung wurde für Mileva gefällt."
Michele Zackheim: Einsteins Tochter
List Verlag
ISBN 3-471-79215-5, Preis 44 Mark
Erscheinungstermin: 7.12.1999
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