Albert Einstein war Vieles: Der größte
Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts, unumstritten. Gleichzeitig
aber auch Aufbau-Autor, Humanist, Humorist, Zionist, Pazifist, Popikone
und Liebling der Frauen. Das „Time”-Magazin hat ihn
vor der Jahrtausendwende zur „Person of the Century”
gekürt. Vieles erinnert in den USA heute allerdings nicht mehr
an Einstein. Doch jetzt kommt er zurück: „Einstein”
lautet der simple Titel der umfangreichen Ausstellung, in der das
„American Museum of Natural History” in New York ab
November zahlreiche persönliche Gegenstände des großen
jüdischen Physikers erstmalig öffentlich zeigt.
Tief ergriffen soll er gewesen sein, mit Tränen in den Augen:
Als Albert Einstein 1930 die Riverside Church an der New Yorker
Upper West Side besuchte und dort, über dem Westportal, sein
Ebenbild in Stein erblickte, wusste er um dessen Symbolkraft.
Er, der weltberühmte Wissenschaftler, als einziger noch Lebender
inmitten so großer Persönlichkeiten wie Darwin, Galileo,
Kant, Newton, Socrates oder Spinoza. Aber vor allem er, der Jude,
verewigt an dem Portal einer christlichen Kirche.
Damals wusste Einstein noch nicht, dass eine Universitätsstadt
ganz in der Nähe schon bald, 1933, zu seiner neuen Heimat
werden sollte: Bis zu seinem Tod im April 1955 lebte und forschte
der Physiker in Princeton, am dortigen „Institute for Advanced
Study”, und wohnte zusammen mit seiner Cousine Elsa - zugleich
seine zweite Ehefrau -, seiner Stieftochter Margot sowie seiner
Sekretärin Helene Dukas in einem schlichten Einfamilienhaus
in der Mercer Street 112. Viel übrig geblieben ist jedoch
von dieser Zeit nicht jedenfalls nicht in Princeton, im
US-Bundesstaat New Jersey. Denn in seinem Testament hat Einstein
sein gesamtes Archiv der von ihm mitgegründeten Hebrew University
in Jerusalem vermacht. Für ihn war dies ein letzter Beweis
seiner Liebe und Verbundenheit zu Israel, dessen damaliger Regierungschef
David Ben Gurion ihn 1952 sogar ersuchte, als Nachfolger von Chaim
Weizmann Präsident des jungen Staates zu werden. Der Physik-Papst
lehnte das Angebot gerührt ab er habe nie eine Aufgabe
übernommen, die seinen Fähigkeiten nicht entsprochen
habe, ließ er damals mitteilen.
Albert Einstein gehörte nicht zu den Menschen, die jedes
Papier aufbewahren. Erst nachdem er 1922 den Nobelpreis für
Physik erhalten hatte übrigens nicht für seine
bahnbrechende Relativitätstheorie, sondern für seine
Beiträge zur Quantentheorie und seine Popularität
immer größer wurde, leistete er sich in seiner Stieftochter
Ilse Loewenthal die erste Sekretärin. Ab April 1928 war es
dann Helene Dukas, die Ordnung in Einsteins Korrespondenz brachte;
sie war es auch, die der Wissenschaftler 1950 zusammen mit seinem
engen Vertrauten Dr. Otto Nathan zu seiner Nachlassverwalterin
ernannte. Nach Einstein Tod 1955 verbrachten beide fast ein Vierteljahrhundert
damit, dessen umfangreichen Schriftverkehr systematisch zu archivieren
und weiteres Material zu akquirieren. Erst 1982 konnten Einsteins
Wille erfüllt und seine persönlichen Papiere der Jewish
National & University Library in Jerusalem übergeben
werden. 1988 wurde dort das offizielle Albert Einstein Archiv
gegründet, mit rund 50.000 Stücken, darunter Einsteins
gesamte wissenschaftliche Korrespondenz, aber auch Schreiben,
die er als langjähriges Mitglied des Aufbau-Beirats verfasst
hat sowie mehrere Artikel, die er insbesondere in den vierziger
Jahren für diese Zeitung geschrieben hat.
Ein Großteil der Ausstellungsstücke, die ab 15. November
im American Museum for Natural History zu sehen sind, stammen
aus dem Jerusalemer Archiv. Gemeinsam mit der Hebrew University
und dem Skirball Cultural Center Los Angeles hat das New Yorker
Museum die wohl hochkarätigste Präsentation zusammengetragen,
die es jemals über das Leben und die Theorien des
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weltbekannten Wissenschaftlers gegeben
hat. „Albert Einstein wird von vielen als die wichtigste Figur
des 20. Jahrhunderts betrachtet.
Tatsächlich ist er auf Grund seiner tiefgrün-digen Weltsicht
und seiner zwingenden Persönlichkeit ein Mann für alle
Alters-gruppen”, sagt Ellen V. Futter, Präsidentin des
American Museum of Natural History. Bis zur 100. Wiederkehr von
Einsteins „annus mirabilis” 1905, als er als 26-Jähriger
unter anderem seine berühmte Formel E=mc2 entwickelte
wohlgemerkt neben seiner damaligen Tätigkeit als Technischer
Vorprüfer am Patentamt in Bern -, soll die Ausstellung nach
New York noch in zahlrei-chen anderen amerikanischen Städten
zu sehen sein und dann im Jahr 2005 in Jerusalem ihren Abschluss
finden. Viele der Mauskripte, Fotos und Original-Briefe sind erstmals
einer breiten Öffentlichkeit zugänglich so zum Beispiel
die handschrift-liche Version seiner Relativitätstheorie in
einer Version von 1916 oder die Original-Medaille des schwedischen
Nobelpreis-Komitees. „Wir wollen den Besuchern die Gelegenheit
geben, das Erbe von Einstein zu erforschen. Und zwar nicht nur das
Genie, das die Gesetze von Raum und Zeit neu geschrieben hat, sondern
auch den vielseitigen Menschen, der aktiv am sozialen und politischen
Geschehen seiner Zeit teilgenommen hat”, erklärt Futter.
Um dies zu ermöglichen, sollen zum einen interaktive Computer-Animationen
und dreidimensionale Modelle Einsteins Theorien erklären,
beispielsweise warum scheinbar absolute Größen wie
Zeit und Entfernung tatsächlich von den Umständen abhängig
sind, unter denen sie beobachtet werden. Zum anderen geben Familien-Fotos,
ein Tagebuch und der Briefwechsel mit seinen Söhnen Einblicke
in das oftmals chaotische und sehr leidenschaftliche Privatleben
des Denkers. Manche Dokumente stammen dabei noch aus der frühen
Berliner Zeit und waren von seinem Stiefsohn Rudolph Kayser nach
Hitlers Machtübernahme gerettet worden, im Gegensatz zum
Material aus Einsteins Sommerresidenz in Caputh, das absichtlich
zerstört wurde, damit es nicht in die Hände der Nazis
fiel.
Erstmals wird hier ein Liebesbrief an seine erste Frau Mileva
Maric gezeigt, die er während des Studiums in Zürich
kennen gelernt hatte. Dass Albert Einstein als Begründer
der Relativitätstheorie nicht nur das größte wissenschaftliche
Genie des 20. Jahrhunderts war, sondern sein ganzes Leben lang
auch ein engagierter Jude und Zionist, Pazifist und Humanist,
erhellen seine Briefwechsel mit Albert Schweitzer, Sigmund Freud,
Mahatma Gandhi oder Franklin D. Roosevelt, den er 1939 vor einer
atomaren Kettenreaktion und einer möglichen Atombombe der
Nazis warnte. Die Briefe des Präsidenten und des Physikers
sind nebeneinander ausgestellt.
Und noch etwas, das bisher kaum jemand wusste, zeigt die Ausstellung
zum ersten Mal: Briefe von Kindern und Briefe an Kinder - Einstein
nahm sich immer Zeit, die vielen Briefe von seinen kleinsten Fans
aus aller Welt persönlich zu beantworten. Ob er dabei auch
das Gerücht in die Welt gesetzt hat, dass er ein schlechter
Schüler gewesen sei, ist nicht bewiesen. Fakt ist: Ein Zeugnis
von einer Schweizer Schule, in dem ihm exzellente Noten in Physik
und Algebra bescheinigt werden, räumt mit dieser Legende
endgültig auf. Wie für vieles bei Einstein ist eben
auch hier eine relative Betrachtungsweise gefordert.
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Von Robert Bongen
Quelle: Aufbau
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