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Gefunden von Christian Parsow - FAZ vom 14.01.1998
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Allgemeine Relativitätstheorie nicht von
Hilbert beendet
Historische Klarstellung
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Nach mehr als 80 Jahren konnten jetzt
Wissenschaftshistoriker beweisen, daß Albert Einstein die
allgemeine Relativitäts-theorie als erster in ihre endgültige
Form gebracht hat und nicht, wie es in Fachkreisen bisher schien,
der Mathematiker David Hilbert. Dadurch ist Einstein vom Vorwurf
des Plagiats freigesprochen, der in diesem Zusammenhang gelegentlich,
wenn auch eher zwischen den Zeilen, erhoben wurde.
.
Wie Jürgen Renn vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
in Berlin und seine Mitarbeiter berichten, standen Einstein und
David
Hilbert zwar in einem intensiven Austausch über ihre fieberhafte
Arbeit an der Relativitätstheorie, der Durchbruch gelang jedoch
Albert Einstein ("Science", Bd. 278, S. 1270). Der Eindruck,
daß Hilbert die Priorität zukomme, ist entstanden, weil
dieser seine entscheidende Arbeit bereits am 20. November 1915 an
die Königliche Gesellschaft zu Göttingen abgeschickt hatte.
Er konnte damit seine Ergebnisse der Preußischen Akademie
der Wissenschaften vorlegen. Zudem erhielt Einstein kurz vorher
einen Entwurf von Hilberts Arbeit, wie dies aus einem Brief an Hilbert
vom 18. November 1915 zu entnehmen ist.
.
Obwohl Hilberts Arbeit erst am 31. 03. des darauffolgenden Jahres
erschienen ist, ließen diese Umstände den Schluß
zu, daß Einstein durch Hilberts Aufsatz zu einer entscheidenden
Korrektur an seiner eigenen Theorie veranlaßt worden sein
könnte. Er hatte nämlich für die Feldgleichungen,
die die Krümmung |
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des Raumes durch die Materie beschreiben,
bis zum 18. November 1915 noch nicht die korrekte mathematische
Form gefunden. Eine Woche später jedoch gibt er sie in seinem
Aufsatz für die Preußische Akademie richtig an.
.
Einstein selbst hat Anfang Dezember 1915 in einem Brief an seinen
Freund Heinrich Zangger den Vorwurf des Plagiats gegen Hilbert erhoben.
Ein aus seiner Sicht damals nicht ganz unberechtigter Vorwurf, wie
sich jetzt herausgestellt hat. Kürzlich hat Leo Curry von der
Universität Tel Aviv Korrekturbögen von dessen entscheidender
Arbeit gefunden, die ein neues Licht auf die Affäre werfen.
Demzufolge hatte Hilbert seinen Aufsatz vor der Veröffentlichung
am 31. März 1916 über-arbeitet. Da in der Zwischenzeit
Einsteins Aufsatz erschienen war, konnte Hilbert seine noch unvollständigen
Ergebnisse korrigieren. Jedenfalls gelangt Hilbert zu den selben
Resultaten wie Einstein. Die jetzt ausge-räumten Mißverständnisse
hätten vermieden werden können, wenn Hilbert in seinem
Aufsatz eine Notiz über den Zeitpunkt der Überarbeitung
beigefügt hätte. Das herzliche Verhältnis zwischen
Einstein und Hilbert konnte aber durch den Streit nicht beschädigt
werden. Schon am 10. Dezember 1915 schreibt Einstein an ihn: "Ich
gedenke Ihrer wieder in ungetrübter Freundlichkeit und bitte
Sie, dasselbe bei mir zu versuchen. Es ist objektiv schade, wenn
sich zwei Kerle, die sich aus dieser schäbigen Welt etwas herausgearbeitet
haben, nicht gegenseitig zur Freude gereichen." |
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Reporter: Rainer Scharf
Quelle: Frankfurter
Allgemeine Zeitung
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