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Die Berner "Akademie Olympia":
Conrad Habicht, Maurice Solovine, Albert Einstein |
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Da Einstein sich vorgenommen hatte, in Bern
bis zu seinem Antritt am Eidgenössischen Patentamt durch
Privatstunden Geld zu verdienen, gab er eine Anzeige im "Berner
Tageblatt" auf. Kurze Zeit darauf erschien in seiner
Wohnung ein junger Rumäne namens Maurice Solovine. Er
sei, sagte er, Philosophiestudent und davon überzeugt,
daß diese Wissenschaft sich mit den "höchsten
Fragen" befasse. Um das Durcheinander in seinem Kopf
zu entwirren, habe er sich auch naturwissenschaftlichen Fächern
zugewandt, der Geologie, der Mathematik und der Physik. Wenngleich
er sich auch große Mühe gegeben habe, die physikalischen
Theorien zu verstehen, seien seine Bemühungen doch am
Fehlen der Grundkenntnisse gescheitert. Einstein und Solovine
freundeten sich sogleich an. Denn auch er, Einstein, hatte
es zuerst mit der Philosophie versucht; die dort herrschende
Unklarheit und Willkür bewogen ihn jedoch, sich einer
exakten Naturwissenschaft zuzuwenden.
Zu einem Physikunterricht im herrkömmlichen Sinne kam
es nie. "Offen gestanden, Sie brauchen keine Physikstunden
zu nehmen", meinte Einstein. Solovine fragte: "Wäre
es nicht zweckmäßig, wenn wir gemeinsam irgendein
Werk eines großen Forschers läsen und die hierin
behandelten Fragen besprächen?" Einstein stimmte
zu.
Regelmäßig kamen die beiden - meist in Einstein´s
Wohnung - zusammen. Bald schloß sich ein Dritter an,
Einsteins Schulkamerad aus der Aarauer Zeit, der in Bern studierte,
Conrad Habicht. Nach gemeinsamer Mahlzeit wurde studiert,
dann das Gelesene besprochen. Sie gaben den Zusammenkünften,
deren Atmosphäre von Scharfsinn und gelöster Herzlichkeit
bestimmt wurde, den Namen "Akademie Olympia".
Die Jahre der anregenden Gespräche in der "Akademie
Olympia" haben Einsteins wissenschaftliche Entwicklung
entscheidend gefördert. Man las eine Seite, manchmal
nur eine halbe, bisweilen nur einen einzigen Satz, und diskutierte
hinterher Tage hindurch. David Humes "ungemein scharfsinnige
Kritik der Begriffe Substanz und Kausalität" wurde
wochenlang erörtert.
"Leider ist es mir nicht möglich, dem Leser einen
EInblick von den langen und lebhaften Diskussionen zu übermitteln,
die durch die Lektüre hervorgerufen wurden", schreibt
Solovine, der später in Paris eine literarische Tätigkeit
ausübte. Eine tiefe Freundschaft verband ihn mit Einstein
und überdauerte im Briefwechsel die Wirrnisse jener Jahre,
da Einstein zunächst in Berlin und dann in den USA (und
Solovine in Frankreich) eine Heimstatt gefunden hatte. Mehr
über diese Jahre in der Einstein-Biographie.
Fast Fünfzig Jahre später erinnert sich Einstein:
"Es war doch eine schöne Zeit damals in Bern, als
wir unsere lustige "Akademie" betrieben, die doch
weniger kindisch war, als jene respektablen, die ich später
von Nahem kennengelernt habe. Zwei Jahre vor seinem Tod, am
03. April 1953, schreibt er:
An die unsterbliche Akademie Olympia!
In Deinem kurzen aktiven Dasein hast Du in kindlicher Freude
Dich ergötzt an allem was klar und gescheit war. Deine
Mitglieder haben Dich geschaffen, um sich über Deine
großen aufgeblasenen Schwestern lustig zu machen. Wie
sehr sie damit das richtige getroffen haben, hab ich durch
langjährige sorgfältige Beobachtung voll zu würdigen
gelernt.
Wir alle drei Mitglieder haben uns zum Mindesten
als dauerhaft erwiesen. Wenn sie auch schon etwas krächelig
sind, so strahlt doch noch etwas von deinem heiteren und
belebenden Licht auf unseren einsamen Lebenspfad; denn Du
bist nicht mit ihnen alt geworden und ausgewachsen wie eine
in´s Kraut gewachsene Salatpflanze.
Dir gilt unsere Treue aus Anhänglichkeit
bis zum letzten hochgelehrten Schnaufer! Das nunmehr nur
korrespondierende Mitglied
A.E.
Princeton, 3.IV.53
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